- Von Great Britain zu Little England: Nordirland, Brexit und das Ende des Vereinigten Königreichs, Kurswechsel, 3/2021.
Integration – Desintegration: Vor drei Jahrzehnten gingen in Jugoslawien und der Sowjetunion kapitalistische Transformation und Desintegration Hand in Hand. Die Nummer wird den Dynamiken von Desintegrationsprozessen, aber auch fallweisen Bestrebungen zur Neuintegration, nachspüren. Dafür reicht das Spektrum von Jugoslawien über die Sowjetunion bis hin zum Brexit; u.a. mit: F. Jaitner, A. Podvrsic, J. Becker. - Angst und Bedrohung im „Zeitalter des Terrorismus“; in Hannes Hofbauer & Stefan Kraft (Eds.), Herrschaft der Angst: Von der Bedrohung zum Ausnahmezustand (Wien 2021).
Am 2. November 2020 wurde Wien von einem Terroranschlag heimgesucht. Vier Menschen starben und mehrere Dutzend weitere wurden teils schwer verletzt. Nachdem jahrelang die Nachbarländer Italien und Deutschland in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Ziele des rechtsextremen und dschihadistischen Terrorismus waren, wurde nun Österreich selbst getroffen. Der Terrorismus und seine Auswirkungen gerieten zu einem Hauptthema der Innenpolitik und etliche Gesetzesnovellen sollen zukünftige Terroranschläge verhindern. Die Aktionen des Sicherheitsapparates und des Innenministeriums in den Tagen, Wochen und Monaten nach dem Anschlag dienten dazu, der Bevölkerung Sicherheit zu geben. Diese Maßnahmen stehen aber nicht im direkten Zusammenhang mit dem blutigen Ereignis. Stattdessen wird die Attacke dazu verwendet, politisches Kleingeld einzusammeln und eine restriktive Gesetzgebung gegen islamische Glaubensangehörige durchzusetzen. In der Bevölkerung stößt das auf wenig Widerstand, denn die Angst, einem weiteren Terroranschlag zum Opfer zu fallen, ist größer als der Unmut über die Einschränkungen demokratischer Rechte für einzelne Gruppen. Die Bundesregierung nützt so ein durch den internationalen, dschihadistischen Terrorismus bestehendes Schreckensszenario aus, das sich in den letzten beiden Jahrzehnten entwickelte. In der öffentlichen Debatte geht jedoch unter, dass der Amoklauf am 2. November mit der bestehenden Gesetzeslage hätte verhindert werden können. - Sinn Féin: Von der Guerilla in die Regierung, Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2020.
Wenn es jemanden gibt, der außer der Schutzmaskenindustrie und den Desinfektionsmittelherstellern von der Pandemie profitiert, dann die neue Regierung Irlands. Diese historische Koalition von Wahlverlierern ist Anfang Oktober 100 Tage im Amt. Nicht wenige Beobachter hatten ihr nicht so viel Zeit eingeräumt. Doch trotz einer enorm hohen Arbeitslosigkeit –im August erhielten 15,5 Prozent der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter Zahlungen aus dem Pandemie-Hilfsfond, im April waren es sogar 29 Prozent, vor dem Beginn der Krise lag die Arbeitslosigkeit im Februar bei 4,8 Prozent – dreht sich die öffentliche Debatte der letzten Monate primär um die Frage: Wann können die Pubs trotz Pandemie endlich wieder aufmachen? - Friedensprozess, Brexit und Gewalt: Kommt der Nordirlandkonflikt zurück?, Einleitung zur deutschen Ausgabe von "Liam Ó Ruairc: Nordirland zwischen Krieg und Frieden" (Wien 2020).
Die Nordirland-Frage war der größte Stolperstein während der Brexit-Verhandlungen. Mit dem im Jahr 1998 unterzeichneten Karfreitagsabkommen wurden die Grenzposten zwischen der Republik Irland und Nordirland geräumt, nach dem Brexit könnten sie wieder aufgestellt werden. Das Abkommen beendete offiziell den 30-jährigen Bürgerkrieg, der über 3500 Menschen das Leben kostete. Mit der Niederlage der IRA wurde der irisch-republikanische Kampf umgedeutet, weg vom Ziel einer vereinten sozialistischen Republik hin zum Bemühen um eine politische Teilhabe. Die Trennungen vor Ort blieben aufrecht bzw. verstärkten sich sogar. Während zur Zeit des Abkommens 22 Mauern protestantische und katholische Viertel voneinander trennten, stehen mittlerweile 88 dieser „Friedenslinien“ sinnbildlich für die Spaltung der Gesellschaft. Die einstige Industriegegend ist heute einer der ärmsten Teile Europas, die Jugendarbeitslosigkeit explodiert. Nordirland ist auf dem Weg, eine gescheiterte Region zu werden. - Nordirland - die Gegenwart des Terrors, Merkur, 4/2019.Es war Samstag, 12. April 2009, es war windig, regnerisch und kalt. Ich stand am Rand, als sich am frühen Nachmittag eine irisch-republikanische Splittergruppe namens Republican Sinn Féin auf dem Friedhof der nordirischen Kleinstadt Lurgan versammelte, zum Gedenken an den Osteraufstand gegen die Briten von 1916. Als Hauptredner war Ruairí Ó Brádaigh gekommen. Ó Brádaigh lebte damals in Roscommon, einem beschaulichen Ort etwa drei Autostunden südwestlich von Lurgan in der Republik Irland. Der pensionierte Lehrer war gutgelaunt und erzählte mir von seinen Enkeln. In den 1960er Jahren war er Oberbefehlshaber der IRA gewesen, bis 1983 Präsident von Sinn Féin, bevor er von Gerry Adams abgelöst wurde. Es waren rund dreihundert Leute gekommen, um ihn zu hören. Auch Medienvertreter von Belfast Telegraph und Sunday Life waren da.
- Der Brexit und die Rückkehr des Nordirlandkonflikts, Europäische Rundschau, 1/2019.Nordirland wurde zu einem der größten Hindernisse in den Brexit-Verhandlungen. An der Art der zukünftigen EU-Außengrenze zwischen dem EU-Mitglied Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland drohten die Verhandlungen zu scheitern. Viele Politiker und Kommentatoren warnen vor einer Rückkehr des Nordirland-Konflikts, dem blutigen Kampf zwischen irisch-nationalistischen Katholiken und pro-britischen Protestanten, der zwischen 1968 und 1998 fast 4000 Menschen das Leben kosteten, als Folge des Brexits.